Donnerstag, 21. Februar 2008

Ablenkungsfreies Schreiben, Teil 2: Die passende Textverarbeitung

Microsoft Word ist für Schriftsteller genauso geeignet wie eine Microsoft Project für die Planung eines Familienausflugs ins Phantasialand. Das mag zynisch klingen, entspricht aber den Tatsachen. Abgesehen von dem Live-Wordcount, den Word 2007 als erster Spross der Gates-Familie anbot, ist Word mehr für profane Geschäftsbriefe und semiprofessionelles Layout geeignet als für kreatives Schreiben. Offengestanden brauche ich kein Textverarbeitungssystem, das im laufenden Betrieb kolossale 80 MB Speicher (und mehr) frisst, nur um einen Artikel, eine Kurzgeschichte oder von mir aus auch einen Roman zu schreiben.

Es geht mir dabei nicht nur um das riesige, unhandliche Programm oder die auf ein Vielfaches der notwendigen Größe aufgeblähten Dateien. Auch wenn OpenOffice2.3 hier vieles besser macht (haben Sie schon mal ein großes Word-Dokument im OpenOffice-Format gespeichert? Die Dateien schmelzen hier oft ohne Funktionalitätsverlust auf weniger als die Hälfte ihrer ursprünglichen Größe zusammen...), bleibt dennoch die überladene Funktionalität.

Word und OpenOffice Writer haben ganz klar ihre Berechtigung, wenn es in der finalen Phase eines Manuskripts an Layout und Feintuning geht, aber zum Schreiben gibt es einfachere und (meiner Meinung nach) bessere Programme. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Word viel zu sehr zum Herumspielen und Ausprobieren reizt. Ändern wir doch mal hier den Zeilenabstand oder den Einzug, vielleicht mal eine andere Schriftart oder eine etwas geringere Zeichengröße... Das man dadurch mit dem eigentlichen Schreiben nicht wirklich voran kommt, ist einem ja selbst klar - aber man hat zumindest das Gefühl, etwas halbwegs Produktives zu tun.

Das erste Programm, das im modernen Retro-Stil (was für ein Gegensatz in sich!) versuchte, zu den Wurzeln zurückzukehren, war wohl das (nur für Macint0sh erhältliche) WriteRoom (http://hogbaysoftware.com/products/writeroom). Ein schwarzer Bildschirm mit grüner Schrift (was übrigens bei längerem Arbeiten äußerst augenfreundlich ist), dafür weder überladene Menüs noch großartige Formatierungsmöglichkeiten. Als Zyniker könnte man sagen: Toll, 25$ für einen simplen Texteditor (denn viel mehr Möglichkeiten bietet WriteRoom wirklich nicht). Aber das würde den Kern dieser Software nicht wirklich treffen.

Der Nutzen von Programmen wie WriteRoom liegt vielmehr darin, dem Schreibenden alle Ablenkungen zu nehmen. Mensch und Text Auge in Auge ... wie in den Tagen der fast vergessenen Schreibmaschine. Hemingway hätte vermutlich seine Freude daran gehabt. Es gibt kein links oder rechts am blinkenden Cursor vorbei, keine verspielten Menüs oder sonstigen Glöckchen und Schellen. Da bleibt einem nur, den Stier - also den Text - bei den Hörnern zu packen, wenn man nicht stumm und steif wie ein Silvesterkarpfen vor dem Bildschirm hocken bleiben will. Eigentlich doch ein hervorragendes Konzept, oder?

Glücklicherweise ist das Konzept von WriteRoom nicht der kleinen Mac-Gemeinde vorbehalten, sondern eine ganze Reihe von Entwicklern hat sich in den letzten Jahren daran gemacht, Alternativen zu WriteRoom für Windows zu entwickeln. Die vier interessantesten Vertreter dieser aufgrund ihrer minimalistischen, pragmatischen Konzeption mittlerweile oft als 'Zen-Ware' klassifizierten Art von Software werde ich in den nächsten Tagen vorstellen.

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