Freitag, 16. März 2007

Softwarereview: PageFour v1.50

Ich gehöre zu den Leuten, die ständig mit neuen Arbeitsmitteln herumexperimentieren und ständig auf der Suche nach noch besseren, einfacheren und zugleich vielseitigeren Tools sind. Das führt nicht nur dazu, dass ich an keinem Schreibwaren- und Büromaterialladen vorbeigehen kann, ohne durch die Gänge mit Notizbüchern, Mehrfunktionskugelschreibern, Ringbucheinlagen etc. zu schlendern, sondern auch dazu, dass ich jede neue Software unbedingt ausprobieren muss, von der ich hoffe, dass sie mir eventuell beim Schreiben, Planen oder Recherchieren helfen kann.

Vor Kurzem stieß ich durch einen Blogpost auf PageFour, das dort als Windows-Alternative zum leider nur für Macs erhältlichen Scrivener gehandelt wurde. Da man sich auch eine kostenlose Demo herunterladen konnte, habe ich das Programm direkt getestet. Leider konnte es mich nicht auf ganzer Linie überzeugen und hinterließ einen etwas zwiespältigen Eindruck.

Die Optik:
Der Bildschirmaufbau wirkt ordentlich und aufgeräumt, mit modernen, großen Symbolen. Der linke Bereich, der für die unterschiedlichen Notizbücher, Ordner und Blätter vorgesehen ist, kann per Knopfdruck ausgeblendet werden, um bei kleineren Bildschirmdiagonalen im Vollbildmodus zu arbeiten. Die räumliche Aufteilung zwischen den Bereichen lässt sich flexibel anpassen. Recht gut gelungen ist auch die Option des TabbedBrowsing: alle Blätter, die man öffnet, werden als Tabs am unteren Bildschirmrand offen gehalten, so dass man schnell zwischen diesen umschalten kann, ohne erst über die Ordnerliste zu gehen. Die Tabs lassen sich einzeln schließen, nur leider nicht wie beim IE7 verschieben. Für die Optik also ein klares Plus, hier gibt es nicht mehr allzuviel zu verbessern.

Die Bedienung:
Die Bedienung über Menü und Symbolleisten ist intuitiv und leicht zu beherrschen. Es gibt nicht allzuviele Optionen und Möglichkeiten, dafür sind diese bequem über das Kontextmenü (rechte Maustaste) zu erreichen, auch die Drag&Drop-Funktionalität wirkt ausgereift.

Die Datenstruktur:
Man kann (in der Vollversion) beliebig viele Notizbücher anlegen (in der kostenlosen Version nur drei). In diesen Notizbüchern kann man dann über mehrere Ebenen Ordner und Blätter ineinander verschachteln und so fast beliebige Datenstrukturen abbilden. Leider dürfen Blatt- und Ordnernamen (im Gegensatz zum Klassenprimus "Scribble Papers") keine Sonderzeichen enthalten, da sie zugleich die Ordner-/Dateinamen im Windows-Dateisystem darstellen. Positiv ist allerdings, dass durch diese Organisation direkt aus dem Explorer auf jeden Text zugegriffen werden kann.

Die Features und Möglichkeiten:
Auch wenn viele Features wie die Snapshot-Funktionalität (zumindest für mich) mehr nach einer technischen Spielerei des Programmierers als nach einem wirklich nützlichen Feature wirken, hat das Programm dennoch seine Highlights, die es von der mittlerweile fast unüberschaubaren Flut von Notizenverwaltungs- und Outliningprogrammen abheben:

Während viele Features nur sprachabhängig zu nutzen sind (Thesaurus, Rechtschreibprüfung) und es mir noch nicht gelungen ist, für meine Tests ein deutsches Wörterbuch im ADU-Format zu finden und einzubinden, erweist sich das Scan-Feature als echtes Schmankerl: Das Programm durchsucht den kompletten Text und findet häufig verwendete Wörter und Formulierungen. So kann man schon im Vorfeld vermeiden, dass einen später Testleser oder Lektoren beiseitenehmen, um einem schonend beizubringen, dass man vielleicht doch ein wenig zu häufig das Wort "gigantisch" (je nach Autor durch eine beliebigen anderen Begriff oder eine Formulierung zu ersetzen) verwendet. Leider bezieht sich die Scan-Funktion nur auf die aktuelle Seite. Man kann also nicht einen ganzen Ordner (z.B. einen Roman) auf solche Wiederholungen prüfen. Das torpediert den Sinn dieses ansonsten nützlichen Features ein wenig. Schön wäre es auch, wenn das Programm Wortstämme erkennen und deren Vorkommen zusammenzählen würde (gewaltig, gewaltige, gewaltigen, gewaltiges...), aber das wäre vermutlich schon zuviel verlangt.

Seiten können auch über ein Passwort geschützt werden, allerdings kann man nur ein Passwort für alle Dateien festlegen und somit nur sagen: geschützt oder nicht geschützt. Das macht die Bedienung zwar einfacher, würde mir persönlich aber nicht genügen. Eine Wahlmöglichkeit (ein generelles Passwort oder seiten-/ordnerspezifische Passwörter) wäre besser.

Beim Export von Texten versagt PageFour leider: Die Export-Funktion mehrerer gemeinsam selektierter Dateien erzeugt keine gemeinsame Datei, sondern Verzeichnisse mit einzelnen rtf-Dateien. Welchen Sinn macht ein mehrstufiges Autorensystem, mit dem man auf Wunsch alles bis auf Szenenebene herunterbrechen und hin und herschieben kann, wenn man nachher das fertige Buch aus über 100 einzelnen Szenendateien zusammenbasteln muss?

Fazit:
Für ein Programm, das von sich selbst behauptet, eine komplette Schreibumgebung zu bieten, kann das Programm trotz guter Ansätze für meinen Geschmack etwas zu wenig. Mir fallen hier spontan noch mindestens ein Dutzend Wunschfeatures wie eine Indexkartenverwaltung, ein Zeitstrahl, ein Bearbeitungsstatus je Szene, eine Zuordnungsmöglichekti von Charakteren zu Szenen etc... ein. Selbst der relativ günstige Preis von 29,95$ kann das Programm daher nicht über eine Position im oberen Mittelfeld hinaus bringen. Es gibt ausgezeichnete Freeware und Open-Source-Software, die "PageFour" in fast jeder Beziehung das Wasser abgraben. Auf meinen persönlichen Favoriten "Scribble Papers" (zudem noch in Deutsch erhältlich), werde ich nächste Woche genauer eingehen.

Und vielleicht kommt ja doch noch irgendwann eine Windows-Version von Scrivener heraus. Wenn schon nicht von denselben Programmierern, dann doch vielleicht als Kooperation mit einem anderen, auf Windows-Programme spezialisierten Softwarehaus? Man darf ja noch hoffen...

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